Würzburgs historische Straßenbahnen

Pferdebahn (1892-1900)


Pferdebahn-Nachbau anlässlich der 125-Jahr-Feier der Würzburger Straßenbahn im Sanderauer Depot. © 15.07.2017 André Werske.

Pferdebahn-Nachbau anlässlich der 125-Jahr-Feier der Würzburger Straßenbahn im Sanderauer Depot.


Ende des 19. Jahrhunderts expandierte Würzburg. Das Bevölkerungswachstum wurde unter anderem durch den neuen Centralbahnhof beschleunigt, der ab 1869 die Stadt zu einem verkehrstechnischen Dreh- und Angelpunkt aufwertete. Lebten 1867 lediglich 33.656 Menschen in Würzburg, waren es 1890 bereits 57.467. Die flächenmäßige Ausdehnung hatte eine Trennung von Wohnung und Arbeitsplatz zur Folge, die nicht mehr zu Fuß überbrückbar war. In Deutschland etablierten sich Straßenbahnen, die von Pferden gezogen wurden. Berlin war mit der Betriebsaufnahme im Jahr 1865 Vorreiter. 1872 starteten auch andere Großstädte wie Frankfurt am Main, Dresden und Hannover ihre Pferdebahnen.

Nach anfänglichem Gegenwind – Fiakerkutscher bangten um ihre Existenz und man befürchtete eine Gefährdung von Passanten – konnte der Pferdebahnbetrieb am 30. April 1892 auch in Würzburg starten. Damals sprach man übrigens offiziell von der „Tram“ oder „Trambahn“. Die erste Strecke führte von der Sanderauer Polizeiwache zum Centralbahnhof, aber das Schienennetz dehnte sich rasant in Würzburg aus. Bis 1893 wuchs der Fuhrpark auf 14 Wagen, 5 von ihnen waren offene Sommerwagen. Insgesamt 56 kräftige Pferde zogen die Wagen, und 45 Mann Personal kümmerten sich um den Betrieb. Aufgrund ihrer großen Räder und des geringen Achsstandes neigten die Wagen zum Schlingern und Entgleisen, was noch Optimierungen an den Gleisanlagen erforderte. Damals wurde ein Trambahnwagen von ein bis zwei Pferden gezogen, die es immerhin auf 12 km/h schafften. Im ersten Betriebsjahr nutzten weit über 1,1 Millionen Fahrgäste die Tram. Die Pferde legten 1895 zusammengenommen rund 120.000 Kilometer zurück.

Eine Pferdebahn zu unterhalten, erwies sich als aufwendig und teuer: Stallungen, Futter, Pflege, Verschleiß an Fahrzeugen, Gleisen und Hufeisen. Und ja, auch Pferde waren nicht vor Krankheiten gefeit. Im Gegensatz dazu war der elektrische Betrieb, mit dem in anderen Städten der Welt bereits begonnen wurde, schnell, günstig, sauber und nahezu wartungsfrei.

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Die „Elektrische“ (1900-1933)


Die Elektrische: Plakat im Sanderauer Depot. © 2015 André Werske.

Die „Elektrische“. Motiv aufgehängt im Betriebshof Sanderau.


Mit der Inbetriebnahme des städtischen Elektrizitätswerks in Würzburg am 1. April 1899 war die Voraussetzung für einen elektrischen Trambahnbetrieb geschaffen. Im gleichen Jahr wurde die „Würzburger Straßenbahn A.G.“ gegründet. In einem neuen Betriebshof war Platz für den künftigen Fuhrpark. Zwischen 1900 und 1901 stellte die Waggonfabrik Herbrandt 36 Triebwagen her, die in Würzburg schlicht die „Elektrische“ genannt wurden. Die ersten 15 Triebwagen wurden mit nur einem Antriebsmotor mit 35 PS ausgestattet, die übrigen Straßenbahnen hatten zwei Motoren. 16 Sitz- und 12 Stehplätze standen pro Wagen zur Verfügung. Interessanterweise entschied man sich für ein Rollenstromabnehmersystem, was eine teure und komplizierte Fahrdrahtaufhängung erforderte, statt das 10 Jahre zuvor von Siemens erfundene Lyrabügelsystem, das nicht mehr „entgleisen“ konnte. Alle Pferdewagen wurden zu Beiwagen umfunktioniert. Die Würzburger Straßenbahn hatte so viele davon, dass sich die Regensburger Straßenbahn welche ausleihen und sogar abkaufen konnte. 7 Pferdebahnbeiwagen verblieben in Würzburg und wurden erst 1920 außer Dienst gestellt.

Die erste elektrische Straßenbahnlinie führte vom Hauptbahnhof über Kaiserstraße, Residenzplatz, rund ums Glacis bis zur Sanderglacisstraße. Übringens ging es damals meist eingleisig durch Würzburg. An entsprechenden Ausweichstellen passte man die entgegenkommenden Bahnen ab. Die neuen Triebwagen waren deutlich schwerer als die Pferdewagen, weswegen die Pferdebahngleise gegen stabilere Schienen ausgetauscht werden mussten. Anfangs waren die Fahrgäste verunsichert, welche Richtung die Straßenbahn fahren würde, denn es fehlten ja die Pferde als Richtungsanzeiger. Damals hatten die Linien keine Nummern, sondern unterschiedliche Farben an den Wagen gaben die Route an, auf denen die Bahnen verkehrten. Die Arbeitsbedingungen waren schlecht, sowohl was die Arbeitszeiten und die Vergütung anbelangte, als auch wettertechnisch. Erst zwischen 1907 und 1910 wurden die offenen Plattformen durch verglaste Vorbauten geschlossen, sodass es nicht mehr ganz so kalt und nass zuging. Dann kam der Erste Weltkrieg, der zuerst hohe Beförderungsleistungen erforderte, dann aber unter Ressourcenknappheit zu leiden hatte. Nach dem Krieg nahm die Würzburger Straßenbahn zwar rasch den Betrieb wieder auf, aber die Arbeitsbedingungen waren zu prekär und der Lohn so mager, dass es zu Rechtsstreitigkeiten kam. Schließlich wurde die Würzburger Straßenbahn AG aufgelöst und mit ihr der Betrieb im April 1920 eingestellt. Wie in vielen anderen Städten endete auch für Würzburg das Kapitel „Straßenbahn“.

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MAN/AEG-Straßenbahnwagen (1925-1967/1972)


MAN-Straßenbahnwagen. © Hans-Joachim Ströh

MAN/AEG-Straßenbahnwagen 110 am Bahnhofsvorplatz mit Beiwagen aus Münster am Haken. © Hans-Joachim Ströh


Nach dem Ersten Weltkrieg fuhr erst einmal keine Straßenbahn durch Würzburg. Als aber der Währungsverfall beendet werden konnte, wurde beschlossen, die Straßenbahn wieder aufleben zu lassen. Am 5. Juni 1924 wurde die „Neue Würzburger Straßenbahn GmbH“ gegründet und der Wagenpark wurde repariert und aufgearbeitet. Vom 18. September 1924 an rollten wieder die „Elektrischen“ durch die Stadt – auch wenn das Streckennetz vorerst kleiner war als vor dem Krieg.

Die alten Straßenbahnwagen konnten jedoch den inzwischen gestiegenen Anforderungen nicht mehr entsprechen. Deshalb kaufte man bei der MAN in Nürnberg 12 neue Triebwagen, wobei die elektrische Ausrüstung von AEG kam. 1925 und 1926 wurden sie nach Würzburg geliefert. Die Neufahrzeuge hatten erstmals einen Lyrabügel zur Stromaufnahme und leisteten 70 PS, was einen Beiwagenbetrieb erlaubte. Die elfenbein-farbenen Wagen mit den Nummern 1-12 konnten insgesamt 42 Fahrgäste transportieren, wobei 18 Personen auf den seitlich angebrachten Holzbänken Platz fanden. Die MAN-Wagen ersetzten 12 Altwagen, von denen 6 nach Heilbronn kamen und zu Beiwagen umgebaut wurden. Die übrigen 6 alten Triebwagen standen eingemottet als Reserve bereit.

Ende Mai 1927 wurde die zweite Straßenbahnstrecke Würzburgs in Betrieb genommen. Sie führte vom Hauptbahnhof in die Zellerau bis zum Bürgerbräu. Für die neue Linie wurden weitere 7 MAN-Wagen sowie 5 MAN-Beiwagen in Auftrag gegeben, die anfangs allerdings nicht vollständig zur Verfügung standen. Solange setzte man die „Elektrischen“ mit extra montierten Lyrabügeln ein. Mit der Eingemeindung Heidingsfelds verpflichtete sich die Stadt Würzburg, eine Straßenbahnlinie dorthin zu bauen. Der Baubeginn war am 29.05.1929. Dafür orderte die Neue Würzburger Straßenbahn GmbH bei MAN weitere drei Triebwagen sowie drei Beiwagen. Hatten die MAN-Wagen 1-19 noch Lyrabügel auf dem Dach, kamen die Wagen 20-22 mit modernen, aber überdimensioniert wirkenden Scherenstromabnehmern nach Würzburg. Die Triebwagen 1-19 erhielten daraufhin ebenfalls diese Pantographen. 1930 löste die WSB eine vierte und letzte Bestellung bei MAN/AEG aus: 2 Triebwagen plus 2 Beiwagen. Damit belief sich der Fuhrpark der WSB 1933 auf 24 MAN-Triebwagen und 10 MAN-Beiwagen für den Personenverkehr. Die restlichen alten Vorkriegs-„Elektrischen“ bildeten 2 Arbeitstriebwagen, einen Schleifwaren und einen Turmwagen. Ein Triebwagen diente noch als Reklamewagen. Eine Arbeitslore komplettierte das Schienenfahrzeug-Portfolio der WSB.

Nicht nur der Fuhrpark war mit den MAN-Bahnen top modern. Auch das komplette Streckennetz der WSB war nicht älter als 6 Jahre. Da noch kein nennenswerter Individualverkehr störte, war die Tram in Würzburg schnell und pünktlich unterwegs. Dann kam aber die Weltwirtschaftskrise, die zu einem Fahrgastschwund führte und die Straßenbahn in die roten Zahlen trieb. An weitere Investitionen war nun nicht mehr zu denken. Zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs musste die Straßenbahn plötzlich viele Menschen transportieren, und das so zügig es ging. Um das Aufkommen bewältigen zu können, konnten drei Beiwagen der Regensburger Straßenbahnen ausgeliehen werden – die ersten Fremdfahrzeuge auf Würzburgs Gleisen. Ende 1943 war Strom knapp; deswegen hatte der Straßenbahnbetrieb an Sonn- und Feiertagen zu ruhen. Mit der mehrfachen Bombardierung Würzburgs – am 16. März 1945 am heftigsten – kam der Straßenbahnbetrieb komplett zum Erliegen.

Das „Grab am Main“ wurde nicht aufgegeben, so auch nicht die Würzburger Straßenbahn. Die Schäden waren aber verheerend: 2 Triebwagen waren bis aufs Fahrwerk mit Rahmen nahezu vollständig zerstört, an einem Beiwagen der Regensburger Straßenbahn war nichts mehr verwertbar. 9 Triebwagen und 9 Beiwagen (2 davon aus Regensburg) waren schwer beschädigt. 13 Trieb- und 3 Beiwagen wiesen mittelschwere Schäden auf. Zuerst konnte auf der Heidingsfelder Linie der Straba-Betrieb am 9. Juni 1945 aufgenommen werden. In der Innenstadt verkehrte nur eine Trümmerbahn für die Aufräumarbeiten. Aus Stuttgart lieh man sich eine elektrische Anlage zur Stromgewinnung, dafür erhielt die Stuttgarter Straßenbahn für rund ein Jahr 8 Trieb- sowie 8 Beiwagen der WSB. Als der Straßenbahnbetrieb in Neuwied endete, erwarb man den Triebwagen Nr. 18 und setzte ihn in Würzburg als Arbeitstriebwagen 25 ein. Nach dem Wiederaufbau war im Sommer 1950 der gesamte Wagenpark aufgearbeitet und das Streckennetz der WSB war wieder komplett befahrbar.

Die MAN/AEG-Triebwagen und deren Beiwagen kamen in die Jahre. Es war an der Zeit, sie durch neue Fahrzeuge zu ersetzen, doch es fehlte der Wille, Geld in die Straßenbahn zu stecken. Der erstarkende Omnibusverkehr in den Fünfzigerjahren schien eine günstige, komfortable und moderne Alternative zum Museums-Straßenbahnbetrieb zu sein. Auch in anderen Städten empfand man die Schienenfahrzeuge in einer autogerechten Welt fehl am Platz. Zur Entlastung der MAN-Wagen wurde immerhin ausrangiertes Gebrauchtmaterial gekauft, um den Straßenbahnbetrieb in Würzburg aufrechterhalten zu können. 1959 setzte die Würzburger Straßenbahn ein Umbauprogramm in Gang, um aus den völlig veralteten MAN-Wagen kapazitätssteigernde Gelenktriebwagen zu bauen, die weitere 10 Jahre den Straba-Betrieb sichern sollten. Weitere Informationen zum Umbau und Einsatz der neuen sogenannten C-Wagen sind weiter unten auf dieser Seite zu finden.

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Technische Daten: MAN/AEG-Straßenbahnwagen
Anzahl der Triebwagen und Beiwagen: 1. Auslieferung: 12 Triebwagen (TW-Nr. 1-12)
2. Auslieferung: 7 Trieb- und 5 Beiwagen (TW-Nr. 13-19)
3. Auslieferung: 3 Trieb- und 3 Beiwagen (TW-Nr. 20-22)
4. Auslieferung: 2 Trieb- und 2 Beiwagen (TW-Nr. 23-24)
Hersteller: Mechanik: MAN Nürnberg, Elektrik: AEG
Hergestellt zwischen 1925 und 1930.
Spurweite: 1000 mm
Achsfolge: B
Fahrleitungsspannung: 600 V Gleichspannung
Fahrmotoren: 2 x 25 kW (rund 70 PS)
Platzangebot: 18 Sitzplätze, 24 Stehplätze (42 insg.)

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Straßenbahnwagen aus Bad Kreuznach (1953-1964/1977)


Umgebaute Straßenbahnwagen aus Bad Kreuznach. © Hans-Joachim Ströh

Zwillingstriebwagen „Max und Moritz“, Umbau aus zwei Triebwagen aus Bad Kreuznach. © Hans-Joachim Ströh


In den 50er Jahren favorisierte die Allgemeinheit den modernen Omnibusverkehr. Neufahrzeuge machten eine deutlich bessere Figur als die betagten MAN-Wagen und die verbrauchten Beiwagen aus Augsburg. 1951 und 52 wechselten 4 Beiwagen von Neuwied nach Würzburg, wo sie die Nummern 67-70 erhielten. Die WSB griff 1953 erneut zu gebrauchten Fahrzeugen, diesmal aus Bad Kreuznach: 2 Trieb- und 2 Beiwagen. Aus den beiden Triebwagen 25 und 26 baute die WSB einen schicken und modernen Doppeltriebwagen, der fortan unter der Nummer 101 rollte, aber zusätzlich den Spitznamen „Max und Moritz“ bekam. Eine neue Inneneinrichtung und elektropneumatische Türen waren für damalige Verhältnisse ein paar Highlights. Obwohl man für den Umbau 80.000 Mark berappte, blieb der Zwillingstriebwagen ein Einzelstück – die nun modernste Bahn in Würzburg war eben doch schon alt. Max und Moritz waren vornehmlich auf der Linie 3 anzutreffen, doch als die umgebauten Bahnen aus Münster anrollten, verdrängten diese den Doppeltriebwagen 1956 auf die Linie 1. Über Besonderheiten im Betrieb in den folgenden Einsatzjahren ist nichts zu lesen. Doch in den schwersten Zeiten der Würzburger Straßenbahn – sie sollte zugunsten des Individualverkehrs durch Omnibusse ersetzt werden – endete die Karriere von Max und Moritz. 1964 wurde Max ausgemustert. Moritz fand immerhin als Schienenschleif- und Arbeitstriebwagen 301 weitere Verwendung; erst 1977 landete er auf dem Schrottplatz.

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Technische Daten: Max und Moritz
Fahrzeugnummern: TW: ex. 25, 26; Zwillings-TW: 101
Hersteller: ?
Abgekauft: 1953 aus Bad Kreuznach
Inbetriebnahme in Würzburg: 17.12.1954
Spurweite: 1000 mm
Achsfolge: B+B
Fahrleitungsspannung: 600 V Gleichspannung
Außerdienststellung 1964 (Moritz als Schleifwagen 1977)

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ST6: Straßenbahnwagen aus Münster (1955-1968/1975)


ST6 Straßenbahnwagen aus Münster. © Hans-Joachim Ströh

ST6: Straßenbahnwagen aus Münster. Wagen 104 vor dem Würzburger Hauptbahnhof. © Hans-Joachim Ströh


Anfang der Fünfzigerjahre bestand die bisherige Fahrzeugflotte der WSB vornehmlich aus über 20-25 Jahre alten Würzburger MAN-Trieb- und Beiwagen, sowie einigen gebraucht gekauften Trieb- und Beiwagen aus Neuwied, Augsburg und Bad Kreuznach. Der schmale Geldbeutel der Würzburger Straßenbahn erlaubte auch weiterhin keine Fahrzeug-Neuanschaffungen. Da passte es ganz gut, das der Straßenbahnbetrieb in Münster die Segel streichen musste. Obwohl nahezu 30 Jahre alt, erwarb die Würzburger Straßenbahn 1955 elf Münsteraner Triebwagen (Nr. 53, 57, 59, 60, 62, 64-69). Sie wurden zu 6 Trieb- und 5 Beiwagen ohne Antriebseinheiten umgebaut. Bereits im Juni des Folgejahres übernahmen vier Züge – Triebwagen mit Anhänger – Leistungen auf der Linie 3 nach Heidingsfeld. Endlich war genug Reserve vorhanden, um die uralten Augsburger Beiwagen 61-66 auszurangieren. Nummer 66 wurde verschrottet und die anderen mit den Nummern 61-65 von der Firma Voll modernisiert. Nur die Fahrgestelle, Baujahr 1898, blieben unangetastet und hielten noch bis 1982 durch!

Ende der Fünfzigerjahre fing die WSB an, die ersten MAN-Trieb- und Beiwagen in C-Wagen umzubauen. Während die MAN-Flotte abnahm, ließ man die Münsterer Trieb- und Beiwagen unverändert ihren Plandienst verrichten. Erst als 1968 die ersten fabrikneuen Duewag-Sechsachser auf der Linie 3 anrollten, wurden die letzten MAN-Triebwagen ausrangiert. Auch den Fahrzeugen aus Münster traute man keinen Plandienst mehr zu, sodass sie nur fallweise auf den Linien 1 und 2 zum Einsatz kamen. Der Beiwagen 173 kam ob seines guten Zustandes zu der Ehre, wieder zu einem Triebwagen aufgerüstet zu werden. Bis 1975 war dieser Triebwagen mit der Nummer 201 noch aktiv. Dann endete endgültig die Karriere der Straßenbahnwagen aus Münster. Wagen 107, später 207 hatte das Glück, 1975 ans Deutsche Straßenbahnmuseum überzugehen. Dann übernahm das Hannoversche Straßenbahn-Museum den Triebwagen. 1993 kaufte ihn eine Privatperson, dann übernahm der Verein zur Rettung der letzten Straßenbahn in Münster die Tram, restaurierte sie, und seit September 2013 kann der „Ex. 65, ex. 107, ex. 207“ im Stadthaus 3 in Münster bewundert werden.

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Technische Daten: ST6
Fahrzeugnummern: TW: ex. 53, 57, 59, 60, 62, 64-69
TW: 102-107, BW: 173-177
Hersteller: Gotha / AEG (1927)
Abgekauft: 1955 aus Münster
Inbetriebnahme in Würzburg: 03.06.1956
Spurweite: 1000 mm
Achsfolge: B
Fahrleitungsspannung: 600 V Gleichspannung
Fahrmotoren: 2 x 39,5 kW
Außerdienststellung 1969/1975
Verbleib: Stadthaus 3, Münster (seit 2013)

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Straßenbahn-Gelenkwagen Typ Credé (1959–1975)


Zwei C-Wagen an der Haltestelle Hauptbahnhof. © Hans-Joachim Ströh

Zwei C-Wagen an der Haltestelle Hauptbahnhof. © Hans-Joachim Ströh


Ende der Fünfzigerjahre war der Fuhrpark der Würzburger Straßenbahn ein Museumsbetrieb mit Zweiachsern aus der Vorkriegszeit, oft zusammengekauft aus Restposten anderer Städte. Der Straßenbahnbetrieb wurde ernsthaft infrage gestellt. Die breite Einführung von O-Bussen stand im Gespräch, doch der hohe Verschleiß an diesen Fahrzeugen in anderen Städten schreckte ab. Außerdem war gerade die Gleisanlage vor dem Hauptbahnhof erneuert worden, ebenso am Haugerring, sodass die Straßenbahnen vorerst weiter rollen durften. Der damalige Hauptaktionär war die Energiewirtschaft Mannheim, weswegen es nicht verwundert, dass dieser aus der Ferne kein großes Interesse an der Modernisierung der Straßenbahn in Würzburg hatte.

Mangels Geld beschloss man, die MAN-Zweiachser in Gelenkwagen mit schwebendem Mittelteil umzubauen. Als Vorbild diente der in Kassel eingesetzte Gelenkzug der Bauart „Credé“. Für den Betrieb auf allen vier Linien inklusive einer Reserve war ein Bedarf von 21 Gelenkwagen, 11 Triebwagen und 8 Beiwagen kalkuliert worden. Eigentlich hätte sich der Umbau nicht gelohnt, der mit 130.000 D-Mark pro Gelenkwagen zu Buche schlug, denn deren zu erwartende Nutzungsdauer sei im Vergleich zu einer Anschaffung von Neufahrzeugen viel zu gering. Allen Bedenken zum Trotz stellte Credé in Kassel die schwebenden Mittelteile her. In der hiesigen Straßenbahn-Werkstatt wurden die vorhandenen Untergestelle alter MAN-Trieb- und Beiwagen genommen. Auch die beiden ehemals Neuwieder Beiwagen 167 und 168 sowie ehemalige Bad-Kreuznacher-Wagen mussten als Untergestell-Spender herhalten.

Triebwagen 118 am Hauptbahnhof. 20.06.1965 – Hans-Joachim Ströh
Triebwagen 118 am Hauptbahnhof. © Hans-Joachim Ströh.

Bereits im Juli 1959 unternahm der erste sogenannte C-Wagen (Nr. 115) seine erste Probefahrt. Ende 1960 waren bereits vier C-Wagen in Betrieb. Da sie als Einrichtungswagen konstruiert wurden, mussten im Streckennetz Wendemöglichkeiten geschaffen werden. Wendedreiecke waren günstiger als Wendeschleifen; sie entstanden zuerst in Grombühl und in der Sanderau. Noch 1961 sollten 20 neue Straßenbahnwagen beschafft werden, doch Mannheim schoss quer. Mit der Freigabe der neuen Bundesautobahn im Sommer 1961 setzte in Würzburg plötzlich eine Hass- und Hetzkampagne gegen die Straßenbahn ein. Vor allem die Fraktion der Autofahrer ätzte wo es nur ging gegen „das größte Verkehrshindernis der Stadt“. Die massiven Angriffe – auch die Presse giftete fleißig mit – sowie die fehlende Investitionsbereitschaft in die Straba sorgten für Streckenschließungen und das Ausdünnen des Fahrplans. 1964 war schließlich der Umbau von MAN- und anderen alten Wagen zu C-Wagen abgeschlossen – 12 an der Zahl. Kaum hergestellt, schienen sie obsolet geworden zu sein. 1965 lag die Stilllegung des Straba-Betriebes dick in der Luft …

Am 1. Januar 1966 übernahm die Würzburger Versorgungs- und Verkehrs-GmbH die Würzburger Straßenbahn. Zusammen mit der Stadt wurde beschlossen, die Straßenbahn als künftigen Hauptverkehrsträger Würzburgs zu modernisieren. Bereits im Spätsommer jenen Jahres begann mit den Gleisbauarbeiten entlang der Linie 3 ein umfangreiches Strecken-Sanierungsprogramm. Außerdem bestellte die WSB zehn 6-achsige Duewag-Gelenktriebwagen (GTW-D6). Die negative Stimmung wich zuerst einer vorsichtigen Skepsis, aber als die Sanierung der Würzburger Museumsbahn Formen annahm, stieg das Ansehen der Straßenbahn bei der Bevölkerung. Der Fuhrpark bestand nun hauptsächlich aus „Duewags“ mit und ohne Beiwagen sowie aus C-Wagen, die nur selten Beiwagen zogen. 1969 wurden alle C-Wagen auf Einmannbetrieb mit Entwertern umgebaut. 1972 leisteten die C-Wagen vornehmlich auf der neu eingerichteten Linie 4 Sanderau – Zellerau ihren Dienst. Ab Ende 1974 wurden die Fahrzeuge im neuen rot-gelben Farbschema der Stadt umlackiert. Kurz vor Weihnachten des gleichen Jahres wurden die Linien 1 und 3 auf reinen Duewag-Betrieb umgestellt, die Linien 2 und 4 auf C-Wagen.

1975 wurden die ersten von acht 8-achsigen Duewag-Doppelgelenktriebwagen (GTW-D8) an die WSB abgeliefert. Nun war auch die Zeit gekommen, die technisch verbrauchten C-Wagen zügig zu ersetzen. Vor allem die Fahrgestelle waren in einem sehr schlechten Zustand – sie waren ja Relikte der MAN-Wagen. Eine Aufarbeitung stand nicht zur Diskussion; 750.000 D-Mark für nur 5 weitere Betriebsjahre – das Kosten-/Nutzen-Verhältnis war schlicht inakzeptabel. Die Stilllegung des Hagener Straßenbahnbetriebs erwies sich für die WSB als Segen, denn so konnten 1975 insgesamt 12 neuwertige, sechsachsige Duewag-Gelenktriebwagen für wenig Geld erworben werden. Noch im gleichen Jahr wurden die – irgendwann von 100er auf 200er-Nummern abgeänderten – C-Wagen 221, 223, 224 und 225 verschrottet. Die C-Wagen 215 und 218 mit frischer Hauptuntersuchung hätten eigentlich bis 1980 als Betriebsreserve dienen, und der Gelenkwagen 217 als Arbeits- und Weihnachtswagen umfunktioniert werden sollen. Doch im Gelände des alten Betriebshofs herrschte Platzmangel, weswegen zeitnah alle C-Wagen an den Schrotthändler abgegeben werden mussten.

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Technische Daten: C-Wagen
Bezeichnung: 4-achsiger Straßenbahn-Gelenktriebwagen Bauart „Credé“
Anzahl der Fahrzeuge: 12
Fahrzeugnummern: 115–126; später 215-226
Hersteller: Fahrgestell: MAN, Aufbau: Credé-Voll
Umbau aus MAN-Untergestellen und neue Mittelteile von Credé
Spurweite: 1000 mm
Höchstgeschwindigkeit: 45 km/h
Achsfolge: Bo'+()+2'
Fahrleitungsspannung: 600 V Gleichspannung
Fahrmotoren: 2 x 32,5 kW
Bremssysteme: Betriebsbremse: Generatorische Widerstandsbremse
Handbremse: Klotzbremse
Feststellbremse: Federspeicher Teilkraft Druckluft
Schienenbremsen: Hanning und Kahl
Beiwagenbremse: Solenoide
Leergewicht: 17,7 t (max. Gesamtgewicht: 26,8 t)
Radabstand / Raddurchmesser: 1800 mm / 660 mm
Platzangebot: 28 Sitzplätze, 112 Stehplätze
Länge / Breite / Höhe: 17.720 / 2.100 / 3.150 mm
Fußbodenhöhe: 880 mm (Sitzraum), 700 mm (Plattform)

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GT-H: Duewag-Straßenbahnen aus Hagen (1975–1997)


GT-H als Vereinsheim der Sportfreunde WVV. © 09/2003 André Werske.

GT-H als Vereinsheim neben dem Abstellbereich am Betriebshof Heuchelhof.


1975: WSB kauft 12 gebrauchte GT6 von Duewag aus Hagen

Nach dem Kauf von 10 sechsachsigen GTW-D6 im Jahre 1966 bei Duewag und diversen Gleissanierungen blieb Anfang der Siebziger nicht mehr viel Geld für neue Schienenfahrzeuge übrig. Die C-Wagen waren aber dermaßen verschlissen, dass eine erneute Laufzeitverlängerung um nochmals 5 Jahre zirka 750.000 Mark verschlungen hätte. Schließlich hatte die WSB zu der Zeit das Glück gehabt, dass die Hagener Straßenbahn stillgelegt wurde und relativ neue Fahrzeuge zum Verkauf anstanden. Die sechsachsigen GT6 wurden in Hagen besichtigt und man sah den Zügen an, dass sie erst 300.000 Kilometer zurückgelegt hatten. Sie waren praktisch neuwertig. Somit entschied sich die Würzburger Straßenbahn zwölf dieser Sechsachser für einen Spottpreis von 100.000 Mark pro Bahn einzukaufen.

Die GT-H genannten Hagener im Einsatz

GT-H am alten Kranen; © 80er Jahre, Peter Lelowski
GT-H am Alten Kranen, 80er Jahre. © Peter Lelowski.

Natürlich mussten die neuen Gelenktriebwagen mit der neuen Typenbezeichnung GT-H (das H steht für Hagen) so schnell wie möglich für den Plandienst fit gemacht werden. Intensive Arbeiten an acht Zügen trugen schnell Früchte, indem schon am 15.11.1975 einige GT-H auf der Linie 4 ihren Dienst antreten konnten. Nach und nach verfügte die WSB wieder über einen typenreinen Duewag-Fahrzeugpark. Gegenüber den C-Wagen boten die Züge aus Hagen 70 Prozent mehr Platz, waren schneller und leiser. Die vier noch nicht verwendeten Wagen wurden mit der Zeit umfassend modernisiert. Unter anderem wurden die Fahrmotoren getauscht, die Türen und die Beleuchtung an hiesige Verhältnisse angepasst, Federspeicherbremsen implementiert und Entwerter montiert. Selbstverständlich mussten auch die Zielbandanzeigen mit dem Würzburger Streckennetz kompatibel gemacht werden. Darüber hinaus fielen vielen Kleinigkeiten an, wie beispielsweise neue Scheibenwischer und Kupplungen. Die ersten drei GT-H, die in Würzburg eintrafen, blieben als Zweirichtungsfahrzeuge erhalten, alle anderen 9 Strabas rüstete man zu Einrichtungsfahrzeuge um.

Doch ab 1996 rollte eine neue Fahrzeug-Generation an. 20 Niederflurzüge sollten vor allem die in die Jahre gekommenen „Hagener“ ersetzen, die mit ihrer geringen Kapazität nicht mehr das hohe Fahrgastaufkommen bewältigen konnten. Die GT-N verdrängten die GT-H auf den Abstellbereich am Betriebshof Heuchelhof, wo sie zwischengelagert wurden.

1997: 4 ausrangierte GT-H gehen nach Rumänien

Obwohl die GT-H im Schnitt schon mehr als 2,5 Millionen Kilometer „auf dem Buckel“ hatten, waren sie von osteuropäischen Straßenbahnbetrieben heiß begehrt. Vier Züge mit den Nummern 271, 274, 276 und 279 wurden gegen einen kleinen Obolus im Jahr 1997 per Tieflader in die rumänische Stadt Arad gebracht. Das Fahrzeug 239 diente fortan als Ersatzteillager. Die Straßenbahn 271 mit gelb-schwarz gestreifter Werbung für Renault Müller in Würzburg sowie Wagen 276 mit der Rosa-Herzen-Werbung für Klüglein waren auch noch im Jahr 2014 im aktiven Dienst zu sehen. Der GT-H 274 kam mit Werbung für Udo Lehrmann nach Arad. Ob diese ehemaligen Hagener, und nun auch ehemaligen Würzburger, auch im Jahr 2023 in Arad ihre Runden drehen, ist mir nicht bekannt.

1998: 6 ausrangierte GT-H gehen nach Polen

1998 konnten weitere sechs GT-H nach Grudziądz (Graudenz) in Polen abgegeben werden. Sie erhielten dort die neuen Nummern 73 bis 78, neue Doppellampen und Blinker an der Front. Für 12 Jahre leisteten sie als GT6 im Fahrgastbetrieb einen wertvollen Beitrag. Doch dann wurden sie von Achtachsern aus Krefeld aufs Abstellgleis geschoben. Die Wagen 73 (ex. 273) und 76 (ex. 277) wurden in Grudziądz verschrottet. Was aber die Straßenbahnwagen 74 (ex. 270), 75 (ex. 278), 77 (ex. 281) sowie 78 (ex. 275) betrifft: Sie gingen 2010 nach Łódź. 2013 verunfallte der GT6 Nummer 75, was sein Aus bedeutete. 2015 wurden aber auch die restlichen drei ehemaligen Würzburger Sechsachser in Łódź verschrottet.

Zwei GT-H verbleiben in Würzburg

GT-H Nummer 280 wurde zu einem Vereinsheim der Sportfreunde der WVV umfunktioniert und der Wagen 272 bleibt noch als betriebsbereiter Oldtimer erhalten.

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Technische Daten: GT-H
Bezeichnung: Sechsachsiger Gelenktriebwagen GT-H
Bauart: Zweiteiliger GT6
Fahrzeugnummern: 270–281 (ehem. 70 - 81)
Abgekauft: 1975
Hersteller: Duewag
Spurweite: 1000 mm
Höchstgeschwindigkeit: 65 km/h
Achsfolge: Bo'+2'+Bo'(?)
Fahrleitungsspannung: 750 V Gleichspannung
Fahrmotoren: 2 x 110 kW
Bremssysteme: Generatorische Widerstandsbremse
2 Federspeicherbremsen als Feststellbremse
Haltebremse (Federspeicher Teilkraft)
Schienenmagnetbremse
Leergewicht: 21,8 t (max. Gesamtgewicht: 34,8 t)
Radabstand / Raddurchmesser: 1800 mm / 660 mm
Platzangebot: 40 Sitzplätze, 65 Stehplätze
Länge / Breite / Höhe: 20.100 / 2.200 / 3.485 mm
Fußbodenhöhe: 800 mm (Sitzraum), 680 mm (Plattform)

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