GT-E am Kleingartenverein zwischen Athener Ring und Max-Mengeringhausen-Straße. © 1999 André Werske.

Stadtbahnwagen GT-E

Entwicklung des GT-E

GT-E: Bergfahrt; © 15.09.2011, André Werske
GT-E: Bergfahrt bei 9,1 % Steigung.

Anfang der Siebzigerjahre entstand in Würzburg ein neuer, großer Stadtteil mit dem Namen „Heuchelhof“. Er liegt rund 120 Meter höher als Würzburgs Stadtzentrum und beinhaltet ein großes Wohngebiet mit Schulen, ein Behindertenzentrum und ein Industriegebiet. Nahverkehrstechnisch wurde es von den Buslinien 30 (Reuterstraße – Straßburger Ring) und 32 (Reuterstraße – Körperbehindertenzentrum – Rottenbauer) bedient und später durch Schnellbusse der Linie 330 (Neubaustraße – Heuchelhof) ergänzt. Schon bei der Gründung des Stadtteils plante die Stadt Platz für eine Straßenbahntrasse ein. Die stetig wachsende Bevölkerung des Heuchelhofs konnten die Buslinien im Laufe der Zeit kaum noch bewältigen. Zudem kam es im Winter bei Schnee und Eis oft zu erheblichen Behinderungen auf der wichtigen Zufahrtsstraße, die eine neunprozentige Steigung aufweist. Durchdrehende Räder, Staus und Unfälle sorgten alljährlich für erhebliche Verspätungen. Der Beschluss, den Stadtteil Heuchelhof an das Stadtbahnnetz der Würzburger Straßenbahn anzuschließen, gab Anlass, neue Fahrzeuge auszuschreiben. Linke-Hofmann-Busch bekam den Zuschlag, 14 Doppelgelenktriebwagen vom Typ GT-E zu beschaffen. Dabei mussten die neuen Fahrzeuge ein paar Bedingungen erfüllen, die bis dato nicht notwendig waren: ein Niederflurabteil, um körperbehinderten Personen die Mitfahrt zu ermöglichen sowie Allachsantrieb für die Bewältigung des 1,6 Kilometer langen Steilstreckenabschnittes.

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Technische Ausrüstung

GT-E-Fahrgestell; © 09/1997, André Werske
GT-E-Fahrgestell; © 15.07.2017 André Werske

Die GT-E sind keine logische Weiterentwicklung der GTW-D8-Züge, sondern unterscheiden sich optisch und technisch deutlich von den alten Fahrzeugen. Dazu hat sicherlich auch der Steilstreckenabschnitt beigetragen. Um die Steigung von 91 Promille eines vollbesetzten Zuges bewältigen zu können, war zuerst ein Zahnradantrieb geplant. Doch Berechnungen und Erfahrungen mit steilen Strecken in anderen Städten sprachen für die Beibehaltung des Adhäsionsantriebs. Entsprechend hoch ist die Motorenleistung: Vier Gleichstrommotoren mit jeweils 189 Kilowatt treiben alle Achsen des Zuges an. Die Antriebsleistung liegt also bei insgesamt 756 kW (rund 1028 PS). Eine Anti-Schlupf-Regelung sorgt dafür, dass die Räder nicht so leicht durchdrehen und weniger gesandet werden muss. Technisch zugelassen waren die Fahrzeuge ursprünglich für 70 km/h, die auch bei der Bergfahrt erreicht wurden. Wegen zu hohem Schienenverschleiß limitierte man später die maximale Geschwindigkeit in der Ebene auf 60 km/h und bergauf auf 50 km/h. Um nicht nur sicher zum Heuchelhof hinauf zu kommen, sondern auch ohne Probleme bergab fahren zu können, musste die Geschwindigkeit bei der Talfahrt ebenfalls begrenzt werden. Auf dem steilsten Abschnitt (untere Hälfte der Steilstrecke) sind lediglich 30 km/h vorgesehen, auf dem oberen, weniger steilen Abschnitt sind dagegen 40 km/h erlaubt. Damit bei Talfahrt der Fahrer trotzdem nicht schneller fahren kann, ließ sich die WSB vom Zugbeeinflussungssystem der Zugspitzbahn inspirieren und rüstete die Strecke und die Fahrzeuge damit aus. Ein Antiblockiersystem verhindert das Blockieren der Räder beim Bremsen, um die Räder zu schonen. Die Bremsenergie wird in das Fahrleitungsnetz zurückgespeist und steht anderen Fahrzeugen wieder als Fahrenergie zur Verfügung. Der Hersteller bewirbt die erhöhte Sicherheit durch schnelle Fehlererkennung bei gleichzeitiger Einleitung von Ersatzfunktionen mittels Mikrocomputereinsatz, die den Fahrer entlastet. Die GT-E sind auch deutlich leiser als die bisherigen Fahrzeuge, da spezielle, 5 Zentimeter dicke Schallschutzmatten für die tiefen Schallschutzschürzen verwendet wurden. Die Verbindung von Fahrwerk und Wagenkasten erfolgt ausschließlich über Gummielemente. Eine automatische Spurkranzschmierung mindert das Quietschen und Pfeifen der Räder in den Kurven.

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Inneneinrichtung

Fahrgastraum im GT-E; © 12/1996, André Werske
Fahrgastraum im GT-E; © 12/1996, André Werske

Die achtachsigen GT-E-Garnituren bestehen aus drei Wagenkästen und zwei Faltenbälgen. In der Mitte befindet sich ein Niederflurabteil. Die Skizze zeigt die Raumaufteilung des Stadtbahnwagens GT-E. Fünf Doppeltüren ermöglichen das problemlose Aus- und Einsteigen der Fahrgäste. Die Einstiegstreppen sind 90 Millimeter niedriger als in den älteren Fahrzeugen des Typs GTW-D8. Die Stufenhöhe, ausgehend von den 20 Zentimeter hohen Haltestellenborden beträgt nur noch maximal elf Zentimeter. Sie verminderte sich nach Einfederung des Fahrzeuges und des Verschleißes von Rad und Schiene bis auf vier Zentimeter. Der Fahrgastraum ist optimiert hinsichtlich der Raumaufteilung, der Haltegriffstangen, der Betätigungseinrichtungen für Haltewunsch und Türautomatik, der Informations- und Sicherheitseinrichtungen. Eine Besonderheit ist sicherlich das Niederflurabteil, das rund zehn Prozent der Gesamtlänge des Fahrzeuges ausfüllt. Vor allem Rollstuhlfahrer, Eltern mit Kinderwagen oder Fahrgäste mit sperrigem Gepäck wissen das Niederflurabteil zu schätzen. Falls genügen Platz vorhanden ist, können dort auch Fahrräder untergebracht werden. Um dem Fahrer Einsicht in das tiefergelegte Abteil zu gewähren, ist in der Fahrerkabine ein Schwarzweißmonitor angebracht, von dem aus mit Hilfe einer Kamera alle Vorgänge beobachtet werden können. Zweimal zwei Klappsitze sind in den Seitenwänden quer zur Wagenlängsachse untergebracht. Der Fußboden des Abteils hat im Neuzustand eine Höhe von 310 Millimetern über Schienenoberkante. Der Boden in den hochflurigen Wagenteilen ist dagegen 600 Millimeter höher. Integriertes Bordinformationssystem (IBIS) für automatische Steuerung der Rollbandanlage, der Haltestelleninnenanzeige, der Haltestellenansage und der Fahrscheinentwerteranlage. Integriertes Infrarot-Informationssystem (IRIS) für Freischaltung von Verkehrssignalen. Angenehme Fahrgastraumtemperatur durch ein neues Heizsystem. Heizungsversorgung vorwiegend mit der beim Bremsen selbst erzeugten Energie.

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Versuchsfahrten und Einsatz

GT-E: Fahrerarbeitsplatz; © 12/1996, André Werske
GT-E: Fahrerarbeitsplatz; © 12/1996, André Werske

Vor der offiziellen Inbetriebnahme der Linie 5 waren ausgiebige Testfahrten notwendig. Gerade das Zusammenspiel der Fahrzeuge auf dem Steilstreckenabschnitt in Zusammenhang mit dem Zugbeeinflussungssystem musste auf Herz und Nieren erforscht werden. Bedenken, dass die Fahrzeuge bei der Bergfahrt wegen Glatteis auf den Schienen stecken bleiben, erwiesen sich als gegenstandslos. Bereits das erste Drehgestell drückt das Eis weg, sodass die nachfolgenden Räder guten Kontakt zum Gleis haben. Eine Schienenheizung war nicht nötig. Auch das Verhalten der Fahrzeuge bei Talfahrt bei ungünstigen Witterungsbedingungen wurde studiert. Siehe auch den Artikel über die Steilstrecke der Linie 5.

Am 30.11.1989 war es endlich soweit: Die neue Stadtbahnlinie 5 zum hochgelegenen Stadtteil Heuchelhof wurde für den öffentlichen Verkehr freigegeben. Innerhalb kürzester Zeit avancierte sie zur wichtigsten Linie der WSB. Damit bildeten die GT-E das Rückgrat des Stadtbahnverkehrs. Ein dreiteiliger Zug fasst bis zu 268 Fahrgäste und bietet damit 91 Prozent mehr Platz als ein GTW-D8. Die Laufgeräusche sind extrem niedrig, was vor allem Anwohnern entlang der Strecken freuen dürfte. Auch heute noch sind die GT-E die beliebtesten Fahrzeuge des Fuhrparks der WSB. Zu großen technischen Problemen kam es nach dem Wissen des Verfassers nicht.

Im Laufe der Jahre wurden ein paar Änderungen an den GT-E-Zügen vorgenommen. Die Räder wurden mit Schallabsorbern ausgestattet, um das Quietschen in den Kurven zu minimieren. Ab 2003 erhielten die GT-E LED-Fahrzielanzeiger. Im Frühjahr 2005 wurde auf dem GT-E 213 eine deutlich sichtbare Klimaanlage auf dem Dach installiert und den Sommer über getestet. Sie kühlt nur den Fahrerarbeitsplatz, nicht den Fahrgastbereich. Nachdem sich die Klimaanlage bewährt hatte, wurden alle GT-E damit nachgerüstet.

Die 14 Stadtbahnwagen vom Typ GT-E werden mittelfristig durch Neufahrzeuge der Serie GT-F ersetzt werden.

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GT-E Technische Zeichnung
Technische Daten: GT-E
Bezeichnung: Straßenbahngelenktriebwagen GT-E
Bauart: Dreiteiliger Doppelgelenktriebwagen für Einrichtungsverkehr
Fahrzeugnummern: 201–214
Baujahre: 1987–89
Hersteller: Linke-Hofmann-Busch
Siemens
Spurweite: 1000 mm
Höchstgeschwindigkeit: 70 km/h (z. Zt. auf 60 km/h begrenzt)
Anfahrbeschleunigung: 1,3 m/s² (bei 150 Personen)
Betriebsbremsverzögerung: 1,3 m/s² (bei 150 Personen)
Achsfolge: B'+B'B'+B'
Fahrleitungsspannung: 750 V Gleichspannung
Fahrmotoren: 4 Gleichstrommotoren à 189 kW (rd. 1028 PS)
Bremssysteme: Elektrodynamische Bremse
Aktive und passive elektrohydraulische Scheibenbremse
(= aktiv-passiv arbeitende elektrohydraulische Federspeicherbremse)
Magnetschienenbremse
4 voneinander unabhängige Bremssysteme: 1 generatorische Bremse 1 stufenlose elektrohydraulische Federspeicherbremsanlage pro Drehgestell 8 magnetische Schienenbremsen 1 Federspeicher-Feststellbremse
Leergewicht: 42,5 t (max. Gesamtgewicht: 64 t)
Radabstand / Raddurchmesser: 1800 mm / 660 mm
Platzangebot: 78 Sitzplätze, 190 Stehplätze = 268 Plätze insgesamt
Länge / Breite / Höhe: 32.600 m / 2.400 m / 3.260 m
Fußbodenhöhe / im Mittelteil: 910 mm / 310 mm SO